Folgendes Szenario: Erst vorgestern haben Sie online einen neuen Strickpullover Ihrer bevorzugten Modemarke bestellt. Bereits zwei Tage später halten Sie die Lieferung erwartungsvoll in den Händen. Ruckzuck ist der Pullover aus der Verpackung befreit und liegt zur Anprobe bereit. Sie schlüpfen gerade hinein als Sie merken, dass Sie den rechten Arm nicht durch den Ärmel bekommen. Beim näheren Hinschauen bestätigt sich das, was Sie bereits geahnt haben: das Ärmelbündchen ist zugenäht. Nanu, was ist das denn?


Manchmal passiert es eben einfach: es mischt sich ein Fertigungserzeugnis unter, das beim sogenannten Acceptable Quality Level – kurz AQL – durchgerutscht ist. Was kaum einer kennt, aber bereits in den Anfängen des Industriezeitalters im 19. Jahrhundert seinen Ursprung hat, ist heute ein wichtiges Kriterium im Rahmen des Qualitätsmanagements. Wie der AQL im Laufe der Zeit entstanden ist, was genau darunter zu verstehen ist und wie genau der AQL-Wert ermittelt, und innerhalb der Qualitätsprüfung angewandt wird, legen wir Ihnen in diesem Blogbeitrag dar.

Das Industriezeitalter als Anstoß der Massenproduktionsweise

Traditionelles Handwerk – das war in den frühen Jahrhunderten unserer Zeitrechnung die Herstellungsweise unterschiedlichster Produkte. Egal ob die Verarbeitung schwerer Steinblöcke, die für den Pyramidenbau in Ägypten benötigt wurden oder das Nähen von Textilien und Zusammensetzen von Bekleidungsaccessoires, alles wurde in detailreicher Arbeit per Hand angefertigt. Mit dem Einzug der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wandte sich das Blatt allmählich. Das eingebürgerte Handwerk wurde Schritt für Schritt im großen Ausmaß durch die Massenproduktion abgelöst. Mithilfe einfacher Techniken entstanden mechanische Maschinen, die plötzlich in der Lage waren große Mengen an Fertigerzeugnissen wesentlich preiswerter herzustellen, als es im zuvor üblichen Handwerk möglich gewesen wäre. So wurden die unterschiedlichsten Produktarten, auch für immer größere Bevölkerungsgruppen erschwinglich.

Wo gehobelt wird, fallen auch Späne: Steigende Fehlerquote bei zunehmender Produktionsmenge

Mit wachsender Produktionsmenge wurde es immer schwerer das Qualitätsniveau auf einem Level zu halten, Fehler schlichen sich vermehrt ein. Um die steigende Fehlerquote möglichst gering zu halten führte man als Maßnahme Qualitätskontrollen ein. Da es aber Produkte gibt, die bei der Prüfung der Funktionsfähigkeit zerstört werden, wie beispielsweise Einwegprodukte, setzte man auf kleine Stichproben. Die Bewertung dieser Stichprobenentnahme definierte man im sogenannten Military Standard 105-D System, welches für die US-Army konzipiert wurde. Dieses entwickelte sich über die Zeit zum heute genutzten Acceptable Quality Level.

Frei von Fehlern ist keine Branche, daher ist das Qualitätsmanagement ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg eines Produkts. Ein wichtiges Werkzeug dieses Qualitätsmanagements ist der AQL-Standard. Dabei handelt es sich um ein statistisches Verfahren, welches das Entscheidungskriterium zur Qualitätsbestimmung darstellt.

Der Prozessablauf im Überblick

Ausgehend von einer Teilmenge der Gesamtmasse an produzierten Artikeln, ist die Vorgehensweise bei der Entnahme sowie Bewertung dieser Stichproben, exakt definiert. Anhand bestimmter Spezifikationen wie beispielsweise Größe, Farbe und Gewicht sowie gemäß standardisierter Normen wie u.a. verpflichtende Beschriftungen und Verpackungsvorschriften, werden Rückschlüsse auf die Qualität der Gesamtmenge gezogen. Auf Basis dieses ermittelten AQL-Werts wird entschieden, welche Fehlerquoten bei Produktionserzeugnissen akzeptabel sind und welche nicht.

Vorgehensweise & Anwendungsbeispiel im Detail

aql_qualitätskontrolle

Um im Rahmen einer Qualitätsprüfung einen AQL-Wert bei Textilproduktionen ermitteln zu können, geht man von der sogenannten Losgröße, sprich der Liefermenge aus. Anhand der ersten Spalte unserer vereinfachten Tabelle lässt sich je nach Menge auch die Zeile definieren, die in Form von Kennbuchstaben von A-Q, Aufschluss über die Klasse des allgemeinen Prüfniveaus gibt. Geht man beispielsweise von 500 produzierten Strickpullovern aus, sind die Textilien der Klasse H zuzuordnen.

Ausgehend von diesem ermittelten Buchstaben, kann in einer zweiten Tabelle der Stichprobenumfang, sowie die akzeptierte Fehlerquote abgelesen werden. Beim Kennbuchstaben H unterliegen demnach 50 Teile einer Qualitätsprüfung. Betrachtet man diese Zeile in der nachfolgenden Grafik in Verbindung mit der Spalte, des bei Textilproduktionen international akzeptierten Fehlerprozentsatzes von 2,5%, so erhält man die gewünschten AQL-Werte. In unserem Fall bedeutet dies, dass drei fehlerhafte Pullover, der entnommenen 50 Stück, der Akzeptanz des Empfängers unterliegen. Vier fehlerhafte Textilien sind dagegen nicht akzeptabel und daher auch nicht vom Kunden zu tragen. Kumuliert auf die Gesamtmenge von 500 Stück gesehen, sprechen wir bei einer Fehlerquote von 2,5% also von 30 zu akzeptierenden, wenn auch fehlerhaften Strickpullovern.

aql_qualitätskontrolle

Bleibt festzuhalten: eine 100%ige Fehlerfreiheit ist in keiner Massenproduktion einhaltbar. Qualitätskontrollen durch das Acceptable Quality Level erleichtern es uns, in Zeiten immer neuerer und innovativer Technologien allerdings enorm, hohe Qualitätsniveaus einzuhalten. Unter der Berücksichtigung international anerkannter AQL-Werte ist es uns so möglich, Auftragsproduktionen unter den bestmöglichen Voraussetzungen auszuliefern und so Kundenwünschen gerecht zu werden.

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